Kein anderes Gesetz spaltet eine ganze Branche so hartnäckig wie das deutsche Reinheitsgebot. Doch ist das überhaupt noch zeitgemäß? Erfahre, alles, was Du wissen musst und teste Dein Wissen im Quiz!
Bevor wir Dir alles rund ums deutsche Reinheitsgebot erzählen, kannst Du erstmal dieses Quiz machen. Was weißt Du eigentlich über das Reinheitsgebot - teste Dein Wissen im Quiz.
Bevor es zu 5 spannenden Mythen über das Reinheitsgebot geht, klären wir die 3 grundlegenden Fragen – was, seit wann und warum.
Was genau ist das Reinheitsgebot?
Das Reinheitsgebot ist eine über 500 Jahre alte Verordnung, die beim Bierbrauen nur die Verwendung von Gerste, Hopfen und Wasser erlaubte - die Rolle der Hefe war damals noch nicht bekannt und wurde später ergänzt.
Inzwischen ist aber nicht mehr das Reinheitsgebot, sondern das darauf basierende „Vorläufige Biersteuergesetz“ von 1993 rechtlich bindend und beeinflusst bis heute die deutsche Bierkultur.
Wann wurde das Reinheitsgebot von wem eingeführt?
Das Reinheitsgebot wurde am 23. April 1516 in Ingolstadt von den bayerischen Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig X. erlassen.
Warum wurde das Reinheitsgebot eingeführt?
Biersommelière Mareike Hasenbeck (Feiner Hopfen) verrät:
„Es muss damals rund um das Jahr 1516 eine grausame Zeit gewesen sein: Bauernaufstände, Reformationsfehden, Hunger und Krieg. Ernten fielen aus, Weizen und Roggen für die Herstellung von Brot waren rar. Da jeder so viel Bier braute wie er wollte, blieb mancherorts der Magen leer. In diesen Zeiten griff Wilhelm IV. durch und erließ das Reinheitsgebot.
Des Herrschers Erlass sollte ursprünglich wohl nur verhindern, dass die ganze Weizenernte im Braubottich landet. Andererseits wollten die Väter des Reinheitsgebotes aber auch den damals üblichen Panschereien einen Riegel vorschieben. Biere wurden mit teilweise ungenießbaren Rohstoffen gebraut, die Brechreiz, Schwindelgefühle oder Bewusstlosigkeit zur Folge hatten und sogar Halluzinationen auslösten.
Der Sud wurde mit Fliegenpilz, Baumrinde, Bilsenkraut oder giftigem Stechapfel gestreckt, hinzu kam auch Ochsengalle, Stierblut und Hammelhoden. Die Menschen lagen manchmal tagelang im Delirium und in besonders krassen Fällen führte der Biergenuss zu Siechtum und vorzeitigem Tod.“
Einige gehen auch davon aus, dass die Wittelsbacher mit dem Reinheitsgebot das Monopol zum Brauen des beliebten Weizenbiers für sich beanspruchen wollten – sie gaben (nicht gerade günstige) Braulizenzen heraus. Ob nun, um den Hunger zu lindern, Krankheiten zu verhindern oder für das Herrscherhaus? Vermutlich steckt in allem ein bisschen Wahrheit.
Doch: Wie rein ist das Reinheitsgebot wirklich?
Wir klären 5 Mythen über das ältestes Biergesetz der Welt auf.
Mythos #1: „Nach dem Reinheitsgebot sind nur die vier Zutaten Hopfen, Wasser, Malz und Hefe erlaubt.“
So stand es zwar im ursprünglichen Reinheitsgebot - damals noch ohne die Hefe, diese war vor der Entdeckung des Mikroskops nicht bekannt - im heutigen vorläufigen Biersteuergesetz sind aber über 50 weitere Hilfsstoffe zugelassen.
Das sind zum Beispiel Hilfsstoffe wie das Kunststoffgranulat PVPP (zum Filtern von Schwebstoffen für ein klares Bier) oder Gelatine (zum Klären). Die Krux: Die Hilfsstoffe werden vor dem Abfüllen wieder herausgefiltert und müssen deshalb nicht auf der Flasche genannt werden.
Auch Zucker ist nach dem Reinheitsgebot erlaubt (außer in Bayern) und Zutaten wie Farbebier (aus Farbmalz konzentriertes Extrakt, das aus einem mit günstigerem hellen Malz gebrauten Bier ein „dunkles“ Bier erschafft) oder Hopfenextrakt (statt Naturhopfen) sind erlaubt und sparen Kosten – ist das Reinheitsgebot also wirklich so rein?
Mythos #2: „Das Reinheitsgebot bedeutet ausschließlich reines Bier.“
Vor einigen Jahren groß in den Medien: In 14 der meist verkauften Biermarken Deutschlands wurde das Pestizid Glyphosat nachgewiesen (ein Unkrautvernichter und als wahrscheinlich krebserregend eingestuft). Die Werte lagen teilweise deutlich über den Trinkwassergrenzwerten, welche es für Bier nicht gibt.
Die Kreativbrauerei Kehrwieder ist beispielsweise für ein Natürlichkeitsgebot.
Zucker ist erlaubt, hochwertiger Honig aber nicht; Hopfenextrakt oder Gelatine darf rein, natürliche Kakaobohnen oder Orangenschalen aber nicht. Viele Brauer plädieren daher für ein Natürlichkeitsgebot statt eines Reinheitsgebots. Und ja, das sind meist die Craft Brauer…
Mythos #3: „Craft Beer ist nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut.“
Das stimmt nicht, die meisten Craft Beer sind nach dem Reinheitsgebot gebraut, vor allem in Deutschland. Pils und Weizenbier sowieso, aber auch India Pale Ales, Pale Ales, Stouts oder Porter entstehen lediglich mit Hopfen, Malz, Wasser und Hefe (fruchtige, röstige Aromen etc. kommen nur von diesen Zutaten). Mit über 200 Hopfensorten, mehr als 500 Malzsorten und 200 Hefestämmen gibt es unzählige Möglichkeiten, ein gutes Bier nach dem Reinheitsgebot zu brauen.
Auch das Pils der Superfreunde ist nur mit Hopfen, Wasser, Malz und Hefe gebraut.
Craft Brauer legen aber viel Wert auf Geschmack und somit hochwertige, natürliche Zutaten (was eben den Preis bestimmt) und wagen auch mal etwas Neues. Heißt, auch alte belgische Stile wie Witbier (mit Koriander und Orangenschale) oder eben ein kreatives IPA mit Jasminblüten werden mal gebraut. Die sind dann nicht nach dem Reinheitsgebot.
Mythos #4: „Das Reinheitsgebot ist in ganz Deutschland gleich.“
Das Vorläufige Biersteuergesetz ist in Bayern und Baden-Württemberg strenger - hier ist zum Beispiel kein Zucker erlaubt.
Wer übrigens etwas anderes Brauen will, kann eine Ausnahmegenehmigung beantragen, die gewöhnlich bewilligt wird – nur in Bayern und Baden-Württemberg tut man sich da noch sehr schwer. Camba Bavaria musste beispielsweise eine ganze Ladung Milk Stout wegschütten, da es nicht reinheitsgebotskonform war.
Mythos #5: „Deutschland wird weltweit für das Reinheitsgebot anerkannt.“
Ja und nein. Das Reinheitsgebot hat die deutsche Bierkultur natürlich (auch marketingtechnisch) zu dem gemacht, was sie heute ist. Trotzdem sehen Brauer aus dem Ausland das Reinheitsgebot eben aus oben genannten Mythen nicht unbedingt als Qualitätsmerkmal.
Marketing mit dem Reinheitsgebot funktioniert bestens.
Das deutsche Reinheitsgebot war sogar Kandidat für das immaterielle Kulturerbe der UNESCO, hat es aber nicht geschafft: „Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bierproduktion inzwischen sehr industriell geprägt ist. Der Mensch als Wissensträger der Brautradition scheint zunehmend eine nachrangige Rolle zu spielen.“ (Christoph Wulf, Vorsitzender des UNESCO-Auswahlgremiums). Dafür ist die belgische Bierkultur 2016 zum UNESCO Kulturerbe ernannt worden…
Reinheitsgebot - nun gut oder schlecht?
Mareikes Einschätzung:
„Das Reinheitsgebot von 1516 ist im Kern keineswegs eine schlechte Sache, es garantiert in einer Zeit, in der Lebensmittel oft negative Schlagzeilen machen, immerhin einen wirksamen Verbraucherschutz. Dabei ist zu bedenken, dass nach diesem Reglement selbst billigstes Supermarkt-Bier schließlich nach dem Reinheitsgebot gebraut wird, was über Qualität und Genuss nicht besonders viel aussagt.
Vielmehr ergibt sich die Frage: Ist das Reinheitsgebot noch zeitgemäß? Denkt man an Sude wie Espressobier und Gurken-Pale-Ale (z.B. ) oder an nordische Biersorten, die oftmals mit Kräutern angesetzt sind (z.B. ), so wird deutlich, dass sich auch mit zusätzlichen Naturrohstoffen besondere Geschmackswelten erobern lassen.“
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